Selbstwert. Der Wert des Selbst. Der Wert, den man dem eigenen Selbst zuschreibt. Was einfach klingt, ist ein komplexes Konstrukt der Persönlichkeit und ein wichtiger Ansatzpunkt einer jeden Psychotherapie. In diesem Buch von Harlich H. Stavemann wird erklärt, was „Selbstwert“ überhaupt bedeutet, welche Konzepte es gibt und wie man mit typischen Selbstwertproblemen besser umgehen kann. Das Buch richtet sich an interessierte Leser*innen und solche, die selbst auf der Suche nach ein paar Erklärungen und Tipps sind. Für Psycholog*innen kann das Buch eine gute Ergänzung sein, um Patient*innen bestimmte Sachverhalte zu erklären.
Im ersten Abschnitt des Buches wird aufgedröselt, was der Selbstwert ist, woraus sich das Selbstwertgefühl zusammensetzt, welche Faktoren wichtig sind und wie er sich über die Kindheit und Jugend entwickelt. Unterschieden wird vor allem zwischen leistungsorientiert (Wer Fehler macht, ist nichts wert) und beliebtheitsorientiert (Je beliebter desto besser). Viele Personen sind Mischtypen und unterscheiden je nach Kontext. Beliebtheitsorientierte Personen werden zugunsten ihres Rufs vielleicht zurückstecken, manchmal still bleiben obwohl sie sich aufregen, während leistungsorientierte Personen kalt und berechnend wirken können. Übungen und anschauliche, vereinfachte Beispiele regen dazu an, sich mit dem eigenen Selbstwert und dem eigenen Typus genauer auseinander zu setzen.
Im nächsten Teil widmen wir uns den sogenannten „Bomben“ – pauschaler Selbstbewertung, Übergeneralisierung und Katastrophisierung. Dabei zeigt sich, dass sowohl eine allgemeine negative als auch eine positive Übertreibung problematisch sein kann. Viele Teile des Selbstwerts sind nicht bewusst zugänglich und müssen erst durch Beobachtung und die Analyse vergangener Situationen beleuchtet werden. Der Autor zeigt stark vereinfacht einige Modelle der kognitiven Psychologie auf, um die Selbstbewertungsprozesse zu erklären.
Verbunden wird das Ganze anschließend mit einem ausführlichen Teil über die Emotionen und ihre Auswirkung auf Psyche und Körper und regt weiter dazu an, sich mit dem eigenen Erleben und Denken auseinander zu setzen. Im Anhang sind zusätzliche einige Arbeitsblätter für die genannten Übungen.
Nach einer umfassenden Problem- und Bestandsanalyse kommt im Buch, wie in einer kleinen eigenständigen Therapie, die Zielsetzung: Wo will ich hin? Was möchte ich verändern? Mit einer Beispielperson wird versucht, möglichst konkrete Ziele für einzelne Situationen zu erschaffen. Wir bleiben nah am Problem: „In welcher häufig auftretenden Situation fühle ich mich schlecht und wie kann ich es in dieser Situation verbessern?“.
Wir lernen, Schritt für Schritt, die Selbstwertbomben zu entschärfen, indem wir sie auf Realität, Logik, Moral, Ziele und Lebenszufriedenheit überprüfen. Zuerst auf allgemeiner Basis, dann entsprechend der internen Logik – denn jeder Mensch hat andere Wertvorstellungen, Grundsätze und Ziele. Dieser komplex wirkende Baustein wird anhand ausführlicher Beispiele erklärt und das Vorgehen kann direkt mit Übungen erprobt werden.
Damit man als Leser*in nach dem Zuklappen des Buches nicht sofort alles vergisst, widmet man sich im letzten Abschnitt noch einmal den praktischen Übungen und der Aufrechterhaltung und Umsetzung. Innere Drehbücher zu erstellen, fortführendes Hinterfragen und ein innerer „Kontrolleur“ sind nur einige Vorschläge um die neue Selbstbewertung in die Tat umzusetzen und ein gesundes Selbstwertgefühl zu etablieren. Zusätzlich gibt es Online weiteres Übungsmaterial.
Das Buch ist insgesamt einfach und anschaulich geschrieben und dient durch die sehr ausführlichen Beispiele und Übungen gut für interessierte Laien oder Personen, die sich ihren Selbstwertproblemen selbst stellen möchten. Alles wird gut erklärt, das Buch könnte auch als Ergänzung zur Therapie dienlich für Patient*innen sein. Vorwiegend wird mit kognitiven und emotionsregulatorischen Taktiken gearbeitet, sodass sich das Buch auch für Personen mit psychischen Erkrankungen eignet, aber bei einer starken Störung oder Verzerrung vermutlich nicht allein ausreicht, um eine Verbesserung zu erzielen.
Für einen ausgebildeten Psychologen sind jedoch wenig neue Ansatzpunkte oder Konzepte erhalten, sodass ich das Buch nicht für Leute empfehlen würde, die sich vertieft mit dem Konzept des Selbstwertes auseinander setzen wollen. Dennoch schafft es das Buch einen komplizierten, aber sehr wichtigen Bestandteil einer jeden Psychotherapie verständlich zu erklären und Erste Hilfe für Probleme zu bieten.
Das Buch ist im Beltz Verlag erschienen und hat 174 Seiten und kann hier bei Amazon gekauft werden: … und ständig tickt die Selbstwertbombe: Selbstwertprobleme erkennen und lösen