Persönlichkeitsstörung

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Einführung

Viele psychische Erkrankungen fallen in einen einzigen Bereich: die Persönlichkeitsstörung. Der Bereich der Persönlichkeitsstörungen beinhaltet neben Schizophrenie oder der Borderline-Störung auch Narzissmus oder ängstliche Persönlichkeitsstörungen. Es gibt verschiedene Arten der Persönlichkeitsstörung. Diese werden in 3 verschiedene Cluster eingeteilt. So zählt zum Cluster A beispielsweise die paranoide oder die schizophrene Persönlichkeitsstörung, eine Borderline Persönlichkeitsstörung fällt unter Cluster B und in Cluster C befinden sich Krankheiten wie die ängstliche Persönlichkeitsstörung oder auch eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung.

Die Klassifizierung erfolgt aufgrund der für die jeweilige Persönlichkeitsstörung typischen Verhaltensweisen. Diese gehen von sonderbar über exzentrisch bis hin zu dramatisch und ängstlich. Entsprechend der Vielzahl der Persönlichkeitsstörungen ist auch die Ursache für diese Störung weitgehend unbekannt. Bei einigen Erkrankungen, wie beispielsweise der Borderline-Störung können Traumata eine Rolle spielen. Doch auch der Einfluss von Familie, Erziehung, Umwelt oder Erbgut spielen bei der Wahrscheinlichkeit, eine Persönlichkeitsstörung zu entwickeln eine maßgebliche Rolle.

Unter einer Persönlichkeitsstörung versteht man im Allgemeinen eine verändertes Verhalten oder eine veränderte Wahrnehmung. Die ersten auffälligen Verhaltensmuster einer Persönlichkeitsstörung zeigen sich meist im Kindes- oder Jugendalter. Jede Persönlichkeitsstörung äußert sich gegenüber der Umwelt anders. Während bei der Borderline-Störung Selbstmordgedanken oder eine Selbstverletzung vorliegt, äußern sich andere Persönlichkeitsstörungen durch übermäßiges Misstrauen, das Unvermögen, Gefühle auszudrücken oder ein übermäßiges Gewaltpotenzial mit niedriger Frusttoleranz. So unterschiedlich, wie sich die verschiedenen Persönlichkeitsstörungen mit ihren spezifischen Symptomen darstellen, gestaltet sich auch die Therapie einer Persönlichkeitsstörung.

Allerdings gibt es auch Symptome, die alle Persönlichkeitsstörungen gemeinsam aufweisen, selbst wenn diese unterschiedliche Gewichtungen besitzen. So beginnt eine Persönlichkeitsstörung meistens spätestens in der Jugend, zeigt sich aber erst im Erwachsenenalter in voller Ausprägung. Die Verhaltensweisen sind ständig vorhanden und kommen nicht zyklisch. Des Weiteren haben alle Persönlichkeitsstörungen im Verlauf der Erkrankung eine massive Auswirkung auf den Beruf und vor allem das Privatleben des Betroffenen. Zudem lässt sich die Veränderung der Persönlichkeit nicht auf eine Erkrankung des Gehirns zurückführen und betrifft nicht ein bestimmtes Verhaltensmuster, sondern das Verhalten des Menschen insgesamt.

Auffällig ist, dass viele Patienten, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden, häufig Alkohol- und Drogenprobleme haben. Persönlichkeitsstörungen können zum einen zu einer Drogensucht führen; auf der anderen Seite kann jedoch auch der Drogenmissbrauch zum Auslöser für eine Persönlichkeitsstörung werden. Zudem kommt es häufig dazu, dass Patienten, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden, zusätzlich eine Depression bekommen. Besonders diese zusätzlichen Belastungen machen eine Behandlung von Persönlichkeitsstörungen besonders schwierig. Der Psychotherapeut muss genau abwägen, um welche Persönlichkeitsstörung es sich handelt, denn jede dieser Erkrankungen bedarf ihre ganz eigene Behandlungsmethode, oftmals in Kombination mit Medikamenten.

Persönlichkeitsstörungen können nach ICD 10 F60 definiert werden

Bemerkung: aus verschiedenen Gründen kann es vorteilhafter sein von Persönlichkeitsstil und nicht von Persönlichkeitsstörung zu sprechen. Damit läuft man auch nicht Gefahr, jemanden zu Unrecht als „gestört“ zu bezeichnen.

Das Verhalten und Erleben einer Person mit Persönlichkeitsstörung wird als ich-synton erlebt, weil sie sich damit identifizieren kann, sie also ihr Verhalten und erleben als „zu sich gehörig“ und angemessen empfindet. (vs. Ich-Dyston ).

Entstehung und Wesen der Persönlichkeitsstörung aus kognitiv-verhaltenstherapeutischer Sicht

Die Entwicklung von Schemata (=Regeln und Filter, nach denen Informationen emotional und kognitiv verarbeitet werden sowie Handlungen ausgeführt werden) ist gestört bzw. bleibt auf einer frühen Entwicklungsstufe stehen. Schemata entwickeln und differenzieren sich normalerweise im Laufe der Entwicklung.
Bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen ist häufig zu rekonstruieren, dass es ungünstige Modelle in der Kindheit gab (z.B. sehr ängstliche Mutter/Vater oder egozentrische Mutter/Vater). Dadurch kann die Person extreme Einstellungen und Verhaltensweisen übernehmen. Auch wurden betroffene Personen durch Bezugspersonen häufig ungünstig verstärkt, so dass auch der Umgang mit eigenen Impulsen und Emotionen gestört sein kann (z. B. keine Aufmerksamkeit für „normale“ Bedürfnisse, nur hervorragende Leistungen oder unterwürfiges Verhalten wurde belohnt; wenig Trost, kein Verständnis/Aufmerksamkeit zur Bewältigung alltäglicher Aufgaben). Teilweise liegen dabei auch traumatische Erfahrungen vor.

Bsp.: eine These zur Entwicklung von Narzissmuss lautet: Die Eltern loben das Kind nur oder schenken ihm Aufmerksamkeit, wenn es „besondere“ Dinge vollbringt. Die Eltern gehen kaum auf „normale“, alltägliche Befindlichkeiten und Bedürfnisse ein. So lernt das Kind, dass es immer „besondere“ Dinge leisten muss, um Anerkennung und Bedürfnisbefriedigung zu erfahren. Dieses Verhalten wird beibehalten bis ins Erwachsenenalter.

Grundsätze der Therapie der Persönlichkeitsstörungen aus kognitiv-verhaltenstherapeutischer Sicht

Zunächst zielt die Therapie auf das interaktionelle Verhalten und die Beziehung zwischen Berater/Therapeut und Klient. Es ist häufig schon ein Erfolg, wenn ein kooperatives vertrauensvolles Arbeitsbündnis mit dem Klienten erreicht werden kann. Daher sollten zunächst z. B. gemeinsames Ziele der Beratung erarbeitet werden sowie Vertrauen und Unterstützung bei der gemeinsamen Arbeit angeboten werden.

Häufig werden (interaktionelle) Regeln von entsprechenden Klienten nicht eingehalten. Dann ist eine konstruktive Problemlösung hilfreich, wobei die Regelverletzung klar angesprochen wird und nach Wegen der Problemlösung gesucht sowie Unterstützung angeboten wird. Hierbei muss der Berater/Therapeut wahrscheinlich zunächst mehr in die Interaktion „investieren“ als der Klient.

Es ist sinnvoll, dass abweichende Interaktionsverhalten nicht zu verstärken. Vielmehr sollte die Interaktion so gestaltet werden, dass „normale“ menschliche Bedürfnisse in der Interaktion befriedigt werden. Hier einige wichtige (interaktionelle) menschliche Bedürfnisse (kombiniert nach Sachse und Grawe):

  • Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle (auch Kohärenz oder Konsistenz
  • Bedürfnis nach Akzeptanz
  • Bedürfnis nach verlässlicher Beziehung
  • Bedürfnis nach solidarischer Beziehung
  • Bedürfnis nach Autonomie

Das generelle übergeordnete Ziel ist bei allem, die ungünstigen Schemata „abzuschwächen“ und mehr „normale“ Schemata beim Klienten zu etablieren. Somit soll es zu Veränderungen in Bezug auf Kognitionen, Emotionen und Verhalten kommen. Die Mittel hierzu können sein:
– Kognitive Verzerrungen überprüfen/verändern ( „Nehmen es auch andere so wahr?; Gibt es handfeste Beweise für ihre Überzeugung? Spiel in der Gruppe: Vorhersagen der Gedanken anderer)
– Konkretes Lernen von Verhaltensweisen: z.B. sozial kompetentes Verhalten einüben; positiven Aktivitäten nachgehen.
– Sich vermeintlich gefährlichen /unangenehmen Situationen aussetzen. Erleben, dass keine/weniger negative Konsequenzen als gedacht auftauchen. (Exposition und Habituation)

Insgesamt gilt es Schemata umzustrukturieren nach den Kriterien Realismus und Hedonismus.

Ideen zur Umsetzung und Anwendung in der Beratung:

– Positives, konstruktives Arbeitsbündnis aufbauen
– Regelverletzungen der Klienten nicht persönlich nehmen, dennoch auf Regeleinhaltung achten. Unterstützung dabei anbieten.
– Unangemessenes Verhalten / Einstellungen nicht unterstützen / darauf eingehen. „Normales“ Verhalten / normale Einstellungen unterstützen.
– Gemeinsame Ziele für die Beratung definieren. Immer wieder überprüfen / reflektieren, wie sinnvoll das Verhalten des Klienten zur Erreichung der Ziele ist. (z.B. Termine nicht einhalten bei der Arge führt zu Leistungskürzung, also nicht zum Ziel „stabiles materielles Auskommen“). Entsprechend Unterstützung zur Erreichung der Ziele und Modifikation der Verhaltesweisen anbieten.
– „normale“ interaktionelle Bedürfnisse berücksichtigen.