Das Buch entstammt der Beltz-Reihe mini-handbuch, ist für die Praxis, also den mitunter konfliktreichen Arbeitsalltag in Teams gedacht und das Cover in einladenden Farben gestaltet. Der Autor: langjähriger Trainer und Supervisor in München. Hier kann man also als Leser*in auf echtes Insiderwissen von jemandem hoffen, der nach eigenen Angaben seit 30 Jahren Teams in Krisen begleitet und dabei unterstützt, sich aus diesen zu befreien.
Und ‚mini‘ ist nichts an dem Buch. Im Gegenteil: Auf 211 Seiten hat Will so Einiges zusammengetragen zum Thema Konflikttypen, Konfliktkonstellationen, Mobbing oder Kündigungen.
Im Vorwort startet Will mit einer kurzen Zusammenfassung zur Arbeitswelt 4.0. Dies allerdings sehr oberflächlich. Was mir hier fehlt: das Aufeinandertreffen der digital natives auf die digital immigrants – ein Thema, das aktuell die Fachwelt bewegt. Denn nun prallen sie in den Firmen aufeinander: die jungen Digitalen der Generation Y mit viel Lust auf einen sicheren, spaßbringenden Job und die älteren Arbeitnehmer*innen mit eben auch älteren Arbeitseinstellungen und -haltungen. Und genau das wird Teams schneller werte-heterogenisieren, als man das Wort ‚Multi-Generationen-Management‘ aussprechen kann. Dafür skizziert Will neuere Methoden wie das der agilen Führung und einer veränderten Team-Philosophie an, z.B. das Denken von Teams als Squads – aber auch das sehr verkürzt.
Ohne weiteren Übergang gelangt man zum Kapitel „FAQ“. Jetzt schon die am häufigsten gestellten Fragen? Mit dem Lesen der FAQs begreift man: Sie dienen als eine Art Einführung und stellen gleichzeitig bereits eine Art Quintessenz des Buches dar, wie es die weitere Überschrift auch besagt. „Wie kann man mit Emotionsmanagement Teamkonflikte entschärfen?“ ist eine der FAQs auf Seite 13. Die Antwort findet sich direkt dahinter: Emotionsmanagement – das sei die Verknüpfung von Sachfragen mit Einfühlungsvermögen. Will spricht sich in seinem Buch für die Strategie „Kritik ohne Angriff“ als eine zentrale Variante des Emotionsmanagements aus. Zitat: „Taktvoll, aber verständlich Fehler und Versäumnisse ansprechen, dabei jedoch in die Mitarbeitenden einfühlen, deren Potenziale ebenso wie deren Schwierigkeiten erkennen“.
In den FAQs ist dann auch von sogenannten Krokodilen und Nilpferden die Rede, die bislang noch gar keine Erwähnung fanden. Kaum hat man die beiden Wasserloch-Bewohner auf die Wartebank eventuell folgender Erklärungen geschoben, leitet Will schon in eine neue, auch recht interessante Beschreibung zweier Typen von Mitarbeiter*innen ein und differenziert zwischen sogenannten Teamflüchtern und Teamsuchern – basierend auf der Schopenhauerschen Stachelschwein-Metaphorik, die unser aller Dilemma illustriert, eine gute Balance zwischen wohltuender Nähe und notwendiger Distanz zu unseren Mitmenschen, eben auch zu Kolleginnen und Kollegen zu finden. Dem folgt etwas abrupt die erneute Aufnahme des Bildes der Nilpferde und Krokodile als mögliche Konflikttypen in der Teamwelt. Und ich als Leserin verlor auf Seite 34 den roten Faden und hatte gleichzeitig die Essenz des Buches bereits serviert bekommen.
Das nächste Kapitel ist der Darstellung von Frauen- und Männer-Teamunterschieden gewidmet. Nach Nilpferden, Stachelschweinen und Teamflüchtern nun also das Geschlecht als möglicher Faktor der Konfliktverortung? Das könnte interessant werden… Doch Franz Will bleibt in einem kurzen Streifzug seiner persönlichen Erfahrungen stecken: Frauen bringen eine tolle Lebendigkeit ins Team und investieren weitaus mehr in Arbeitsbeziehungen, was – kurz gesagt – gut gehen kann, aber möglicherweise auch großen Zündstoff und mangelnde Problemlösungen impliziert. Gratis dazu ein Willscher Ratschlag mit imperativem Ausrufezeichen an uns Frauen: „Eine Arbeitsstelle ist kein Familienersatz, Arbeitskolleginnen keine Freundinnen!“. Ist das schon gutväterliches Mansplaining?
Die dieser Einleitung dann folgenden Kapitel stellen eine immer wieder mit Exempeln bestückte Ausführung der eingangs empfohlenen Strategie „Kritik ohne Angriff“ dar. Ich selbst schaffe es nicht, diese Formel als innovative Technik der Teamkonfliktzauberei zu begreifen. Wenn ich als Führungskraft nicht kritisieren kann, ohne meinen Mitarbeitenden einen Hauch an Würde zu lassen, war es noch nie gut um meine Skills als Vorgesetzte bestellt… Dennoch beginnt nun der auch interessante Teil für all jene, die sich mit Teamkonflikten konfrontiert sehen und diese als Führungskraft befrieden möchten. Will schält alle möglichen Typen von Konfliktherden und -täter*innen heraus, bezeichnet diese auch recht originell als schweigendes Bambi, rebellischen Best-Ager, als Arbeitsminimalisten, takt(ik)losen Nörgler usw.
Der Autor arbeitet dabei mit kurzen Charakter-Stories, Tabellen für eine gelungene Gesprächsführung, grau hinterlegten Vorschlagsboxen oder gestrichelten Kästchen für die Empfehlungen an Supervisoren oder Vorgesetzten. Auch hier ein munteres Durcheinander, das zwar jede Seite des Buches lebendig erscheinen lässt, aber der Übersichtlichkeit auch optisch keinen Dienst erweist.
In einem der Schlusskapitel „Leitung und Team“ finden dann letztlich auch Grafiken ihren Platz: Zeichnungen von älteren, männlichen Vorgesetzten mit Haarkranz bspw. in ihrer Stellung zu ihren (wieder männlichen) Stellvertretern oder im Bild des (wieder männlichen) Chefs als Schäfer einer Herde… Frauen werden in den Bebilderungen als kleinere, stets Rock oder Kleid tragende Figuren gezeichnet, die ‚natürlich‘ nur die Ebene der Mitarbeitenden repräsentieren. Das generische Maskulinum wird damit stumpf-stereotyp bebildert. Liegt das am Alter des Autors – geboren 1954, selbst ein old white man?
Fazit: Wie viel Brauchbares in den Empfehlungen von Franz Will steckt, vermag ich abschließend nicht zu beurteilen. Ich hatte nur bei wenigen Sätzen das Gefühl, dass ich sie unterstreichen möchte, weil sie gut, prägnant, neu, wichtig sind. Wer aber eine breit gedachte und sehr konkrete Handlungsanleitung für Konfliktdummies und kleine Psychogramme zu möglichen Konflikttypen möchte, kann hier sicherlich etwas für die eigene Praxis abgreifen. Für mich persönlich gilt leider in Summe zu Inhalt und Struktur: nicht meine Nilpferde, nicht mein Zirkus.