Ein kleines Buch zu großen Fragen des Lebens: Auf lediglich 135 Seiten (ohne Anhang) konfrontiert Harlich H. Stavemann seine Leserschaft “Weitblicker und Zielfervolger” mit den großen Fragen des Lebens, damit wir “Eigene Lebensziele bestimmen und erfolgreich umsetzen”.
Am Anfang steht der theoretische Hintergrund
Ein wenig Basiswissen in die Thematik muss sein. Bereits in diesem Kapitel werden die Stärken des Buches deutlich. Es ist kein trockenes Sachbuch. Der Autor hat einen humorvollen lockeren Schreibstil. Die Fakten sind leicht verständlich und werden durch Beispiele veranschaulicht.
Die Einführung in die wesentlichen Grundlagen zum Thema “Ziele” ist knapp gehalten, aber wichtig. Dabei wird wunderbar logisch nachvollziehbar argumentiert.
Bereits im ersten Kapitel, wie auch in allen weiteren, gibt es ein “Ja aber”-Unterkapitel, welches skeptischen Lesern den Wind aus den Segeln nimmt.
Eine gute Botschaft steht gleich am Anfang des Buches:
Es gibt kein einfaches “richtig” und “falsch” und schon gar keine allgemeingültigen Lebensziele.
Problemanalyse
Das zweite Kapitel hat schon mal eine sehr einladende Überschrift “Der eigenen Unzufriedenheit auf den Grund gehen” – was könnte ein gravierenderer Grund sein, sich mit dem Thema Ziele zu befassen, als die eigene Unzufriedenheit?
Ausführlich wird darauf eingegangen, welche Arten von Zielproblemen es gibt, welche Ursachen und Konsequenzen diese mit sich bringen und letztendlich führt alles zur Selbstreflektion. Woran hakt es bei dir lieber Leser, liebe Leserin? Den Haken bekommt man allerdings bereits bei der Ausführung der Ursachen zu spüren, in denen man sich leicht wieder erkennen kann und um genau diese geht es in der Selbstbetrachtung.
Die eigene Lebensphilosophie
Um die richtigen Ziele festlegen zu können, müssen wir uns zunächst darüber klar werden, welche Werte uns wichtig sind und welche Glaubensgrundlagen unser Leben bestimmen.
“Alles ist möglich. Wir befinden uns in totaler Verwirrung und wissen lediglich, dass wir nichts wissen, sondern nur glauben können.” (S. 68)
Eine Entscheidungshilfe für die grundlegenden Glaubensfragen bietet das Buch nicht, stellt aber weitere philosophische Fragen. Waren mir persönlich die Grundlagen und Prinzipien von Zielen bekannt, ist mir die ganzheitliche Betrachtung, beim Bestimmen der Ziele, weniger vertraut. Die ganzheitliche Betrachtung der Persönlichkeit gefällt mir, denn Ziele sind immer individuell und persönlich.
“Aber selbst, wenn Sie von einem Leben im Jenseits überzeugt sind, so stellt sich dennoch die Frage, was Sie mit Ihrem Leben im Hier und Jetzt anfangen möchten.” (S. 92)
Der Sinn des eigenen Daseins
Im vierten Kapitel geht es darum, die aktuell verfolgten Handlungsziele zu beleuchten. Zuvor ist es wichtig, den Sinn des eigenen Lebens zu bestimmen, die Frage “Was will ich hier?” zu beantworten.
“Wenn man seinem Dasein einen Sinn zuschreibt, lassen sich daraus schlüssige Handlungsziele ableiten.” (S. 95)
Nicht nur für die Handlungsziele, auch für die eigene Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit ist es wichtig, sich mit der Frage, nach dem Sinn der eigenen Existenz zu befassen. Es ist dabei unwichtig, worin der Sinn gesehen wird, entscheidend ist, überhaupt einen zu sehen. Das Buch macht deutlich wie wichtig es ist, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben, konzentriert sich allerdings darauf, dabei zu helfen, aus diesem gegebenen Sinn die Handlungsziele abzuleiten.
Mit konkreten Arbeitsblättern geht es den bewussten und unbewussten Handlungszielen an den Kragen.
Mit Weitblick die eigenen Ziele verfolgen
“Jetzt können wir uns endlich der Frage zuwenden: ‘Was will ich mit dem Rest meines Lebens anfangen?’ ” (S. 111)
In fünf Schritten geht es im fünften Kapitel daran, die eigenen Lebensziele strukturiert zu erstellen. Klingt einfach, ist es aber nur, wenn man sich den Aufgaben in den vorherigen Kapitel bereits gestellt hat. Auch wer sich brav auf alle bisherigen Fragen eingelassen hat, hat auch hier noch eine Menge Arbeit vor sich.
Es steckt viel Arbeit in dem kleinen Büchlein, die sich lohnen kann, um mit einem klaren Blick in die eigene Zukunft zu schauen. Wie auch in den vorherigen Kapiteln gibt das Buch Hilfestellung dabei, sich nicht mit einem “Ja aber” herauszureden.
Persönliche Voraussetzung
Leser*innen müssen bereit sein, sich den eigenen philosophischen Fragen zu stellen:
- Glaube ich an eine religiöse Macht?
- Welches Wertesystem verfolge ich?
- Worin sehe ich den Sinn meines Lebens?
Ich sehe es positiv, dass die Zielsetzung von Stavemann in einem persönlichen Gesamtkontext gesetzt wird. Er erklärt auch anschaulich, warum dies so wichtig ist. Allerdings gibt das Buch insbesondere in der Sinn-Frage wenig Unterstützung. Ich kann mir vorstellen, dass viele Leser*innen das Buch auf Seite legen, weil sie an dieser oder anderen philosophischen Frage scheitern und als einziges Ziel erst einmal stehen bleibt, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben, ohne einen Weg zu sehen, diesen zu finden. Wer sich in der Lage sieht, seinem Leben einen Sinn zu geben, wird in diesem Buch eventuell eine hilfreiche Unterstützung finden, die eigenen Handlungsziele in Frage zu stellen und bewusst neue festzulegen. Um dem Aufgeben entgegen zu wirken, kann es hilfreich sein, das Buch erst einmal komplett zu lesen und in einem zweiten Schritt aktiv die Aufgaben zu bearbeiten. So ist beim Bearbeiten der Materialien das finale Ziel bewusster vor Augen.
Wem ist das Buch zu empfehlen?
Privat
Wer sich mit den eigenen Handlungszielen beschäftigen möchte, bekommt mit diesem Ratgeber einen verständlichen Leitfaden an die Hand, über die eigenen Ziele zu reflektieren und neue aufzusetzen. Zu bedenken gilt die oben genannte persönliche Voraussetzung.
Psycholog*innen
Wer sich im beratenden oder therapeutischen Kontext mit den Zielen anderer auseinandersetzt, andere dabei berät, Ziele zu hinterfragen, aufzustellen oder zu verfolgen, kann in diesem Buch ebenfalls hilfreiche Informationen finden. Insbesondere der Weitblick auf die Zielsetzung wird von Stavemann noch einmal geschärft, was sicher für einige hilfreich sein kann, sich dessen bewusst zu werden. Materialien, wie Checklisten, können in der parktischen Arbeit mit Klienten eingesetzt werden. Auch wenn das Buch als Selbsthilfebuch konzipiert ist, kann ich mir vorstellen, dass es für viele sehr hilfreich sein kann, auf dem Weg der Zielfindung professionell begleitet zu werden. Gerade die “Ja aber”- Abschnitte sind auch für Fachleute lesenswert, denn sie sehen sich häufig mit genau diesen Argumenten konfrontiert und bekommen von Stavemann Hilfestellung, diese zu entkräften.
Autor*innen
Da ich nicht nur Psychologin, sondern auch Buchbloggerin bin, kam mir beim Lesen auch der Gedanke, das Buch könnte auch für Autor*innen interessant sein, um starke Charaktere zu entwickeln. Warum handelt eine Figur, wie sie handelt? Auf Basis der eigenen Werthaltung, Einstellung zum Leben und der Handlungsziele. Die Materialien, die das Buch bietet, können nicht nur für die Entwicklung der eigenen Handlungsziele eingesetzt werden, sondern eben auch für fiktive Figuren.